Seibold: Stellen wir uns der großen Herausforderung



Schulleiter Knut Hahn (links)  moderierte die Infoveranstaltung an der Hessenwaldschule. Kreisbeigeordnete Rosemarie Lück und Erster Kreisbeigeordneter Christel Fleischmann stellten sich den Fragen der Eltern. Fotos Roland Lörzer

Weiterstadt (Lör) „Mit Klarheit und Transparenz sind wir an der Albrecht-Dürer-Schule (ADS) gut gefahren“, stellte Knut Hahn fest, der gegenwärtig sowohl die ADS als auch die Hessenwaldschule leitet. Beim Info-Abend zum geplanten „Flüchtlingswohnheim Hessenwaldschule“ reichte der Platz in der Mensa nicht aus. Ein Teil der über 200 Besucher musste von der angrenzenden Pausenhalle aus zuhören. Immerhin standen Kreisbeigeordnete Rosemarie Lück und Erster Kreisbeigeordneter Christel Fleischmann Rede und Antwort. Ihnen geht es um genau das, was Knut Hahn an diesem Abend anspricht: um sachgerechte Informationen und um die Schaffung von „menschenwürdigen Unterkünften“ für Flüchtlinge. „Das sollte in einem zivilisierten Land wie Deutschland möglich sein“, so Christel Fleischmann mit Nachdruck.

Zum Hintergrund: Wurden dem Landkreis 2014 noch 708 Flüchtlinge zugewiesen, waren es 2015 schon 1828. Dieses Jahr sollen es 1590 sein. Anfang Januar stand aber auch die Zahl 2000 im Raum. „Da waren wir ein bisschen erschrocken“, so Rosemarie Lück. Aus Erfahrung weiß sie, dass sich die Situation „oft ändert“.

Zwar sei noch nichts entschieden, aber es gebe konkrete Überlegungen, das alte Gebäude der Hessenwaldschule nach dem Umzug der Schüler ins neue Gebäude für drei bis fünf Jahre in ein Flüchtlingswohnheim für 200 Menschen umzubauen. Die Klassenräume werden in Wohnungen für je sechs bis acht Flüchtlinge verwandelt, die sich dort selbst organisieren können. Der Musiksaal, die Küche, der Kunst- und der Werkraum sollen vorerst weiter für den Unterricht genutzt werden. Dieser Bereich wird aber klar von den Wohnungen der Flüchtlinge abgegrenzt und erhält auch einen eigenen Eingang. Die gesamte alte Hessenwaldschule wird mit einem Zaun umgeben.

In der Anfangszeit sollen Security-Teams für Sicherheit in und um das Schulgebäude aus den 70er Jahren sorgen. Der Umbau soll ein bis zwei Millionen Euro kosten, nur etwa halb so viel wie Containerunterkünfte verschlingen würden, die zudem einen schlechteren Wohnwert hätten.

Schulelternbeiratsvorsitzender Tom Geisser erklärte, ein Großteil der Eltern habe Verständnis für die Pläne. Dennoch gebe es Bedenken. Geisser nannte ein „erhöhtes Konfliktpotential“ und die Einschränkung von Rückzugs- und Passivräumen rund um die neue Schule. Ein Großteil der Eltern sei nicht der Meinung, dass das alte Gebäude der Hessenwaldschule wirklich menschenwürdig sei. Zudem sei eine Integration von Flüchtlingen „mitten im Wald nicht machbar“. Die größte Befürchtung aber sei: „Wenn das mal steht, bleibt es so.“ Für ein oder eineinhalb Jahre wäre ein Flüchtlingsheim in direkter Nachbarschaft zur neuen Schule okay, aber drei bis fünf Jahre „erscheint den meisten Eltern als zu lang“.

In der Diskussion, in der Moderator Knut Hahn zu Sachlichkeit aufrief, wurden weitere Ängste laut. Manche Eltern denken über Risiken nach, die von Flüchtlingen ausgehen könnten, andere fürchten den „braunen Mob“ und mögliche Anschläge von dieser Seite. Wenn es dazu komme, dann aber immer nachts, entgegnete Christel Fleischmann. Die Sicherheit der Schüler sei also kaum in Frage gestellt.

Angesprochen wurde von Elternseite auch der Brandschutz. Dies sei aber kein Problem, so die Vertreter des Landratsamts. Auch die Einrichtung eines Flüchtlingsheims direkt neben einer Schule sei erlaubt, so die Behördenvertreter.

Angesprochen auf die Integration der Flüchtlinge, erklärte Christel Fleischmann, die „HWS ist nicht abgeschnitten von der Welt“. Die Menschen, die dort wohnten, „können jederzeit rein und raus“. Viele Flüchtlinge würden sich mit gespendeten Fahrrädern bewegen, aber auch zu Fuß komme man schnell nach Erzhausen oder Gräfenhausen. In der alten Mensa, wo sich an diesem Abend die Eltern informierten, hält Fleischmann auch Veranstaltungen mit Vereinsvertretern, Diskussionen und kulturelle Events für möglich. Denn die Mensa bleibt als Gemeinschaftsraum erhalten.

Schulleiter Knut Hahn erklärte, dass Integration „gerade in der Bildungslandschaft Weiterstadt über Teilhabe läuft“. Die Schule sei dabei, ein Integrationskonzept zu entwickeln. Wichtig sei die Vermittlung der Sprache, die Betreuung und eine gut vernetzte Schulsozialarbeit. Durch die Nähe zu den Flüchtlingen, werde vielen Schülern diese Thematik erst bewusst und er spüre in der ADS ein großes Interesse daran.

Hahn lenkte den Blick auf die „bedrückende Situation“ in den Notunterkünften, wo in riesigen Hallen Bett an Bett stehe. Christel Fleischmann erinnerte an die völlig fehlende Privatsphäre dort.

Mehrere Mütter warnten davor, Ängste zu schüren. Es komme darauf an, „wie wir gemeinsam damit umgehen“. Flüchtlinge „wissen, wie es ist, wenn man Kinder verliert“, so Vera Schilling. Sie erzählte von ausschließlich positiven Erfahrungen in Flüchtlingsheimen. Ewald Gold von der Erzhäuser Flüchtlingshilfe bot der Hessenwaldschule die Zusammenarbeit an.

Der Weiterstädter Bürgermeister Ralf Möller sprach von „gemischten Gefühlen“ und forderte dazu auf, die Ängste der Eltern ernst zu nehmen. Rainer Seibold, Rathauschef in Erzhausen, wurde ein Büroraum im angedachten Flüchtlingsheim zugesagt. Sein Aufruf: „Stellen wir uns der großen Herausforderung, die wir nur gemeinsam lösen können!“

 















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