Weiterstadt/Antalya Es war ein kleiner gelber Zettel, der uns flüchtig zwischen den Unterrichtsstunden in die Hand gedrückt wurde und der uns letztendlich auf eine unvergessliche Reise schickte. Ein kleiner Zettel, der uns elf Schülerinnen und Schüler unter der Aufsicht von Rektorin Petra Stiller und ihrem Mann, mit einem bitte nur zwanzig Kilo schwerem Koffer am Frankfurter Flughafen auflaufen ließ. Ein kleines Türkisch-Wörterbuch, einen ganzen Haufen Gastgeschenke und alles Sommerliche, was unsere Kleiderschränke noch zu bieten hatten, in den Koffer gestopft und mit strahlendem Lächeln von den lächerlichen sechs Grad des deutschen Aprils Abschied genommen, tummelten wir uns nun alle am Gate. Zum Glück hatten wir es (fast) alle komplikationslos durch die Sicherheitschecks geschafft und nach dem Durchsuchen und Abchecken von diversen Spiegelreflex-Kameras wurden wir dann doch alle in die Kategorie 'terroristisch negativ' eingestuft.
Der dreistündige Flug verlief einwandfrei (bis auf die üblichen blauen Flecken nach dem Drängeln auf dem Gang und die gelegentliche Todesangst, die sich bei einigen von uns breit machte, aber das war auch schon alles).
Glücklicherweise hatten wir am Tag davor noch mal genau geklärt, wer nun zu welchem Austauschschüler gehen sollte, denn da hatte es noch ein paar Unklarheiten gegeben. Doch dann war alles klar, denn unsere Austauschpartner samt Familie fielen uns sofort um den Hals, kurz nachdem wir einen Schritt aus der Eingangshalle des Flughafens in Antalya gesetzt hatten. Diese Herzlichkeit war schon mal Kulturschock Numero 1. Und auf diesen sollten noch einige weitere folgen.
Die nächsten sieben Tage waren sehr schön und ereignisreich. Die tausend Unterschiede zwischen Deutschland und der Türkei, die man überall entdecken konnte, vom Preis der Louis-Vuitton-Taschen bis hin zu seltsamen rosa Oliven und der Organisation von U+-Kräften, fielen uns andauernd ins Auge. Aber auch viele Klischees und Vorurteile wurden aus dem Weg geräumt. Junge Leute tragen (zumindest in Antalya) kaum öfter Kopftücher als in Deutschland, Tops und kurze Hosen sind keinesfalls verpönt und selbst die gläubigen Muslime sitzen meist nicht Tag und Nacht auf ihrem Gebetsteppich. Natürlich gibt es da schon ein paar Regeln, die von fast allen eingehalten werden. Zum Beispiel, dass man keine Musik hört, während die Gebete zu Allah aus Lautsprechern durch die Straßen hallen. Oder dass man dann auch nicht liegt, sondern zumindest sitzt, aber fast alle unterhalten sich trotzdem weiter. Die absolute Fettnäpfchen-Falle... Wir wissen, wovon wir sprechen. ;)
Aber auch einige wenige Dinge sind so, wie man sie sich hier in Deutschland vorstellt, ein Beispiel: die Moschee. Während wir also innerhalb dieses prachtvollen, riesigen Gebäudes herumstanden und ein ziemlich wichtig aussehender Mann uns auf Türkisch unsere Fragen beantwortete, von denen wir reichlich hatten, da die meisten von uns Deutschen noch nie in einer Moschee gewesen waren, sonnten sich unsere Schuhe draußen vor dem Eingangstor. Man hätte ihnen ein Schild umhängen sollen: 'Wir müssen draußen bleiben'. Das war also auch eine ganz neue Erfahrung für uns, ebenso wie die Kopftücher, die die Mädchen und Frauen drinnen tragen mussten. Wir schnappten uns also eins dieser bunten, wunderschönen Tücher, warfen es uns fachmännisch über den Kopf und bemerkten schnell, nachdem es uns um die zwanzig mal entweder komplett die Sicht versperrte, uns strangulierte, uns komplett vermummte oder einfach auf den Boden rutschte, dass das dann doch nicht ganz so einfach war, wie wir deutschen Mädchen uns das vorgestellt hatten. Aber wir hatten ja zum Glück unsere türkischen Freundinnen...
Ach ja. Und dann war da noch eine knallharte Wasserschlacht in einem wunderschönen Gartenpark nach der Geburtstagsparty von einem der Deutschen, wo wir in den Genuss von waschechter türkischer Tiefkühltorte kamen. Alles Erlebnisse fürs Leben.
Und dann setzte man uns noch auf ein gestandenes 'Piratenschiff', auf welchem wir unglaublich viel Spaß hatten: tolles Wetter, das türkise, strahlende Meer unter uns und strahlende Gesichter um uns, alles begleitet mit einer ordentlichen Portion Gangnam-Style und türkischer Musik. Wir haben sogar ein paar türkische Tänze gelernt, denn selbst die Busfahrten waren Abenteuer für sich. Zehn Leute im Bus, die alle gleichzeitig abtanzen und sich gegenseitig die Ohren wundklatschen und -singen. Das heißt: Spaß pur!
Aber natürlich gab es auch Zeiten, in denen wir etwas lernten. Zum Beispiel die historischen Sehenswürdigkeiten 'Phaselis', eine uralte Ruinen- und Hafenstadt direkt am Meer, oder das antike Aspendos-Theater waren gleichzeitig: schön und lehrreich.
Aber alles Schöne hat auch mal ein Ende. Nach sieben Tagen Paradies standen wir nun alle wieder am Flughafen in Antalya. Auch der türkische Himmel beweinte unseren Abschied: ein Regen und Hagel, den die meisten Deutschen noch nie gesehen hatten, ergoss sich über der sonst so sonnigen Stadt. Viele von uns hatten sogar Angst, bei dem Wetter zu fliegen und malten sich diverse Horrorszenarien auf dem Weg zum Flughafen aus. Doch Angsttränen mischten sich bald mit Tränen der Trauer, denn keiner wollte zurück nach Deutschland. Hier hatten sich Freundschaften geformt. Und das zeigt, dass dieser Schüleraustausch genau das geschafft hat, wozu er ursprünglich gedacht war: ein Band zwischen 'Türkiye' und 'Allmanya' zu schaffen und die beiden Länder freundschaftlich miteinander zu verweben.
Also: ein Lob an die Hessenwaldschule zusammen mit ihrem Partner am anderen Ende Europas! Wir freuen uns schon darauf, unsere Freunde bald wiederzusehen und hoffen, dass sie es hier ebenso schön haben werden, wie wir es dort hatten.
Kim Urschek, Meike Geiger (G 9b)
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