Darmstadt als flammendes Inferno



Harold Nash - aus dem Navigator der Royal Air Force wurde ein Kämpfer für den Frieden. Alle Fotos Roland Lörzer

Weiterstadt/Darmstadt (Lör)   Es begann mit dem immer lauter werdenden Brummen schwerer Flugzeugmotoren. Viele Darmstädter ahnten am Abend des 11. Septembers 1944, dass sie in dieser Nacht Ziel alliierter Bomben werden würden und flüchteten sich in die Keller. 20 Minuten dauerte es bis die stolze Stadt in ein flammendes Inferno verwandelt war. Sprengsätze, Luftminen und Phosphorbomben hatten ganze Arbeit geleistet. Zeitzeugen wie Stadtrat Peter Schmidt, der ehemalige Navigator der Royal Air Force, Harold Nash, und Dr. Fritz Deppert schilderten Szenen, die tiefe Betroffenheit und Fassungslosigkeit in die Gesichter jener Schüler schrieben, die in der Centralstation mit dem Geschehen während der Brandnacht konfrontiert wurden. Darunter alle neunten Klassen der Hessenwaldschule mit ihren Lehrerinnen und Lehrern - Ute Trebbin, Gabriela Horvath, Ralph Zimmer, Dieter Pritzl und Roland Lörzer.
Brennende Kinderbeine, ein in den aufgeweichten Teer fallendes Kind, das sein Vater nicht mehr aus der schwarzen Masse ziehen konnte, eine Frau, deren in dieser Nacht geborenes Baby noch an der Nabelschnur hing. Beide halb verbrannt. Überall Bombenkrater, verkohlte und geschrumpfte Menschenleiber. Jeder rannte irgendwohin. Viele in den Tod. Tränen, Verzweiflung, Wut und Trauer. Nie war Darmstadt der Hölle näher. Die Filme "Brandmale" und "Running with Mum" sprechen Bände.
Die Stadt brannte die ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag. Die Häuser zerstört, überall Schutt, Staub und Asche. Hier konnten nur noch wenige bleiben. Die meisten mussten in den Odenwald ausweichen - angewiesen auf milde Gaben der Bauern und der Bevölkerung. Der Hunger wird zum ständigen Begleiter. Während sich die einen Tortenschlachten liefern, stehen die anderen ohnmächtig daneben und hungern. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Das Unglück der Brandnacht wirkt noch Jahre nach.
Und dennoch schafften es die Darmstädter und Navigator Nash, enge Freunde zu werden. Seit mittlerweile zehn Jahren kommt er nach Darmstadt und hat mittlerweile rund 8000 Jugendlichen vermittelt, wie er diese schreckliche Nacht erlebt hat. Er habe nicht an die Menschen gedacht, erzählt er. Und er habe Angst gehabt, getroffen zu werden, begründet er, warum er sich heute als Feigling sieht. Eigentlich habe er auch nur an sich gedacht. Heute lehnt er ab, wozu er damals beitrug. Der Soldat ist zum Kämpfer für den Frieden geworden. Beeindruckend, wie offen und frei der 93-Jährige zu den Jugendlichen spricht, sie an seinen Erlebnissen, Gedanken und Gefühlen teilhaben lässt.

Noch beeindruckender aber ist die Freundschaft zwischen den ehemaligen Feinden Schmidt, Deppert und Nash. Als ob aus dem flammenden Inferno über Darmstadt im September 1944 ein Licht der Hoffnung und Versöhnung aufgestiegen wäre.





Dr. Fritz Deppert hat die Brandnacht miterlebt.













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